Hameln. Am Reformationstag gab es einen besonderen Gottesdienst in der Martin-Luther-Kirche. In diesem Jahr ging es um Medienrevolutionen früher und heute: von der Erfindung des Buchdrucks um das Jahr 1450 durch Johannes Gutenberg in Mainz über Bewegtbild-Medien bis zur heutigen Social Media Welt.
Mit dabei beim Gottesdienst am Reformationstag zum Thema Medienrevolution waren Dr. Stephan Vasel, Superintendent im Kirchenkreis Hameln-Pyrmont, Pastorin Anne Mirjam Walter von der Evangelisch-Reformierten Kirche Hameln-Pyrmont und Thomas Thimm, Chefredakteur der Deister-Weser-Zeitung. Ein Fazit dieses besonderen Gottesdienstes: Medienumbrüche haben immer Licht- und Schattenseiten.
Unter dem Titel „Medienrevolutionen früher und heute“ beleuchteten Vasel, Walter und Thimm positive und negative Folgen in ihrem jeweiligen Bereich. Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes hatten anschließend Gelegenheit, das Gehörte jeweils sieben Minuten lang an Stehtischen zu diskutieren. Dazu gab es Getränke und etwas zu essen. Den ersten Impuls setzte Superintendent Dr. Stephan Vasel. Er berichtete über die positiven und negativen Folgen des Buchdrucks. Positiv: Die Erfindung der Druckerpresse ermöglichte die schnelle, kostengünstige und geheime Massenproduktion von Texten der Reformation, die halfen, die Reformation zu verbreiten. So wurden zwischen 1454 und 1500 etwa zwölf Millionen Bücher gedruckt. Das waren mehr als in den 1000 Jahren davor, als man Bücher noch mühsam von Hand abschrieb.
Eine besonders dunkle Seite des Druckwesens war die systematische Hexenverfolgung. Der Glaube an Hexen war in Europa seit Jahrhunderten verbreitet. Erst das neue Medium des Buchdrucks vervielfachte die Möglichkeiten von Hass, Hetze und Gewalt. Zwischen 1450 und 1750 wurden in Europa schätzungsweise 90.000 Menschen als Hexen verfolgt und etwa 45.000 von ihnen hingerichtet.
Pastorin Anne Mirjam Walter schlug den Bogen in die heutige Zeit. Sie zeigte zwei kurze Videos zu ihrer Arbeit als Seelsorgerin in der Notaufnahme im Krankenhaus – und wie man darüber öffentlichkeitswirksam Aufmerksamkeit erhält. Das Digitalprojekt Basis:Kirche ist mittlerweile so bekannt, dass es sogar SAT1 und Pro Sieben ausstrahlen. Walter weiß: Sowie sie anfängt über Gott zu sprechen oder aus der Bibel vorzulesen, klicken 98 Prozent der Zuschauenden weg. Ihre Lösung: Die christliche Botschaft über eine engagierte Helferin in der Notaufnahme platziert sie ganz am Ende des Clips: "Liebe deinen Nächsten wie Dich selbst." Auch Hasskommentare sind der Pastorin vertraut. Dagegen setzt sie moderiertes Community-Management mit Unterstützung von KI ein.
In einer Talkrunde befragte anschließend Harald Langguth, Öffentlichkeitsbeauftragter im Kirchenkreis Hameln-Pyrmont, Pastorin Walter und DeWeZet-Chefredakteur Thimm zu ihren Erfahrungen mit den sozialen Medien. "Mit Hatespeech haben wir auch so unsere Probleme", knüpfte dieser an die Aussage von Anne Mirjam Walter an. Man überlege, die Kommentarfuktion abzuschalten, wisse jedoch, dass man dann von den Algorithmen abgestraft werde. Für den Chefredakteur begann die heutige Medienrevolution auf 2007 mit der ersten iPhone-Präsentation durch Steve Jobs. Thimms zentraler Satz: "Medium heißt nicht seriöser Journalismus." Diesen sollte man den ausgebildeten Journalisten überlassen, die darin geschult seien - und nicht selbst ernannten Journalisten und Bots, die sich im Netz tummeln.
Als ein schlimmes Beispiel für den Missbrauch von Künsterlicher Intelligenz nannte der DeWeZet-Chefredakteur ein Fake-Video mit der Tagesschausprecherin Susanne Daubner, in dem diese gestand, die Tagesschau habe nur Fakenews verbreitet und sich dafür entschuldigte. "Früher geschah dies durch Menschen alle 20 bis 30 Jahre und wurde aufgedeckt", sagte Thimm und erinnerte an die gefälschten Hitler-Tagebücher in den 1980er Jahren und den Fall Relotius beim Spiegel 2018. Dieser Autor hatte alle seine Reportagen gefälscht und damit auch noch Preise eingeheimst. "KI fälscht alle zwei Sekunden auf der Welt irgendwo irgendwas", warnte Thimm. "Diese Gefahren sind enorm." Für die musikalische Begleitung des Gottesdienstes sorgte die Klingelbeutelband. Am Ende gab es für alle eine leckere Kürbissuppe, abgeschmeckt mit Kokusnussmilch. Harald Langguth