Von Mitte bis Ende November war ein Visitationsteam unter Führung von Superintendent Dr. Stephan Vasel sehr intensiv in der Kirchengemeinde Bad Pyrmont unterwegs. „Sehr herzlich danken möchte ich Ihnen für das Vertrauen und für die Offenheit in den Begegnungen. Zum Team gehören Joachim Storch, Gerda Schmalkuche, Pastorin Gabriele Mitschke und Pastor Jan Sören Damköhler. Und weiterhin gibt es allerlei Spezialistinnen und Spezialisten, die einen Blick auf einzelnen Themen geworfen haben. Zum Beispiel auf Archiv, Orgeln, Gebäude, Finanzen“, berichtete Stephan Vasel am 30. November im Abschlussgottesdienst in der Bad Pyrmonter Christuskirche.
Bad Pyrmont mache etwas, das derzeit an vielen kirchlichen Orten diskutiert werde: Hier seien die Pastorinnen von der oft überfrachteten Erwartung einer Allzuständigkeit befreit. „Es gibt eine Gemeindemanagerin, eine Diakonin, ein Gemeindesekretariat und einen breit aufgestellten Küsterdienst. Der Erfolg der modernen Gesellschaft liegt in der Arbeitsteilung begründet. Weil hier im Team gearbeitet wird, haben die Pastorinnen mehr Zeit für pastorale Aufgaben, als wenn sie jeweils Kirchtürmen zugeordnet wären“, schilderte Vasel. Als Ergebnis gebe es in Bad Pyrmont ein energievolles Team, das phantasievoll und agil in großer Vielfalt mit verschiedenen Menschen an den Themen des christlichen Glaubens dran sei. „Eine Fusion ist anstrengend. Es hat viele Jahre gekostet, an dem Punkt zu sein, an dem Sie heute sind. Sie ernten gerade die Früchte Ihrer Anstrengung. Das finde ich auch gesellschaftlich wichtig: Es lohnt sich, langfristig zu denken. Und Sie zeigen: Dies ist durchaus umsetzbar“, betont der Superintendent.
„In den Strukturen, die Sie für die Kirche gefunden haben, bildet sich das so ab, dass Sie einerseits einen Kirchenvorstand haben, der – exzellent organisiert – die Aufgaben erledigt, die sich aus dem Status der Kirchengemeinde als Körperschaft des Öffentlichen Rechts ergeben. Ergänzend haben Sie einen Lokalausschuss in Neersen und einen Gemeindebeirat“, beschrieb der Superintendent die Strukturen. Beides seien unterschiedliche und sich ergänzende Antworten auf die Frage, wie man einerseits das Ganze der strukturell neu aufgestellten Gemeinde im Blick haben könne und zugleich lokale Perspektiven, die sich besser vor Ort besser besprechen ließen.
Gottesdienstliche Vielfalt während der Visitation
Das Visitationsteam kam mitten in der kirchliche Hochsaison nach Bad Pyrmont. Gottesdienste und Gedenkveranstaltungen am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres, der zugleich Volkstrauertag ist, Ewigkeitssonntag und zum 1. Advent. Es gab auch einen Gottesdienst zu einem 50-jährigen KiTa-Jubiläum und Gottesdienste zum Buß- und Bettag, einen davon mit einer Grundschule. „Sehr beeindruckt hat uns die Vielfalt der gottesdienstlichen Formate. Zum Beispiel am Ewigkeitssonntag. Da gab es klassische Gottesdienste mit der Verlesung der Namen, die in den Gemeindeteilen in Neersen und auf dem Hagen verstorben sind und in Holzhausen mit der Verlesung der Namen aller Verstorbenen. Meditative Musik, eine ausgelegte Predigt und Kerzen für individuelle Trauer in der Christuskirche, Andachten mit Posaunenchor auf den Oesdorfer Friedhof und dann noch einmal ganz anders akzentuierte ein Taizé-Abendgottesdienst. Dies alles verbunden mit einer suchenden Grundhaltung“, lobte der Superintendent. Sein Fazit: Mit unterschiedlichen Angeboten an verschiedenen Kirchtürmen erreiche Kirche mehr Menschen, als wenn es überall dasselbe gäbe.
Kinder, Jugendliche und Senioren
„Wir waren bei vielen Veranstaltungen für Seniorinnen und Senioren zu Besuch. Die Stadt ist demographisch älter als der Durchschnitt von Niedersachsen. Viele Menschen kommen bewusst hierher für den Lebensabschnitt nach dem Berufsleben“, beschrieb Stephan Vasel die Ausgangssituation in der Kurstadt. Etwa 1300 Zuzüge im Jahr gebe es bei einer Bevölkerung von weniger als 20.000 Einwohnern. „Wer hierherkommt, steht oft am Anfang einer neuen Lebensphase. Fragt man in unsere Gruppen und Kreise, aber auch in die Chöre hinein, gibt es eine Gruppe von Zugezogenen, die hier Kontakt, Anschluss und Gemeinschaft finden. Hier gelingt in einer sehr unaufgeregten Weise Integration“, freut sich Vasel.
In der Seniorenstadt gibt aber auch sechs KiTas in Trägerschaft des Kirchenkreises mit exzellenten Kontakten in die Kirchengemeinde hinein und einem sehr guten religionspädagogischen Angebot. Bad Pyrmont wurde mit dem Prädikat „Kinderfreundliche Kommune“ ausgezeichnet. „Dazu tragen auch wir als Kirchen bei. Und das Bild wird abgerundet durch viele Jugendliche, die sich in der Evangelischen Jugend sehr wohlfühlen und ein für Jugendliche sehr attraktives Modell für den Konfirmandenunterricht, das wegen der starken Einbindung jugendlicher Teamerinnen und Teamer eine hohe Strahlkraft besitzt“, betont der Superintendent.
Finanzielle Zukunft
Kirche in Deutschland finanziert sich hauptsächlich aus Kirchensteuermitteln. „Unsere Landeskirche schätzt, dass wir in zehn Jahren etwa 30 Prozent weniger Einnahmen haben werden. Man kann nun entweder lernen, mit erheblich weniger Geld auszukommen, oder man baut sich zusätzliche Standbeine auf. Dies ist in Bad Pyrmont mit großem Weitblick und beachtlichem Erfolg schon sehr früh geschehen. Sie haben eine sehr gut aufgestellte Stiftung, die jetzt schon dafür sorgt, dass in Bad Pyrmont Angebote möglich sind, die es andernorts nicht gibt“, hob Vasel hervor. Es ist sei wichtig, Kindern und Enkeln eine attraktive Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Kultur und Religion zu hinterlassen.
Vorbildfunktion von Bad Pyrmont
Landauf landab wird zurzeit in den Kirchen Deutschlands die Frage diskutiert, wie es mit der Kirche weitergeht. Über lange Zeit waren Kirchen so organisiert wie Forstämter. Jeder Förster hat sein Revier mit seinen Bäumen.
„In Bad Pyrmont gehen Sie gerade sehr erfolgreich einen anderen Weg. Sie haben nicht den einen Raum, in dem die eine Pastorin für alles zuständig ist, und den anderen Raum, in dem die andere Pastorin für alles zuständig ist. Die Gemeinde ist vielmehr ein Raum, in dem ein beruflich gemischtes Team und viele Ehrenamtliche arbeitsteilig schauen, wer welche Aufgaben übernimmt“, sagte der Superintendent.
Er empfahl der Kirchengemeinde, weiter gute Angebote für Kinder und Jugendliche zu machen als wirksames Mittel gegen Fachkräftemangel. Denen werde vielleicht Kirche so wichtig, dass sie eines Tages Lust haben, Erzieherin in einer kirchlichen KiTa zu werden oder Religionslehrer oder Pastorin oder Gemeindemanager oder Kirchenmusikerin oder Küster oder Gemeindesekretärin. „Machen Sie mit! Lassen Sie sich nicht einreden, dass die Kirche am Abgrund steht und ihre beste Zeit hinter sich hat. Es verändert sich gerade viel. Aber auch die kleinere Kirche, auf die wir zugehen, kann eine große Strahlkraft haben. Wir vertrauen dabei eben nicht nur auf unsere finanzielle Kraft und unser organisatorisches Geschick, sondern auch darauf, dass Gott will, dass es Christenmenschen auf dieser Erde gibt. Und zwar in Zeiten, in denen es leicht ist und auch in Zeiten, wo die Zukunft erst einmal zu suchen und zu finden ist“, schloss der Superintendent. Stephan Vasel