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Christiane Brendel - etwas Neues wagen

Nachricht Hameln, 04. März 2024

Sie hatte zwar nur eine halbe Pastorenstelle – aber sie war mit ganzem Herzen da:

Schlüsselübergabe der Kapelle für den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Christiane Brendel in der St.-Annen-Gemeinde in Wangelist. Foto: Harald Langguth

Nach 30 Jahren im Pfarrdienst, davon fast 16 Jahre pastoraler Dienst im Münster und in St. Annen, tritt Christiane Brendel im April eine neue Stelle als Landespastorin für Besuchsdienste im Haus kirchlicher Dienste in Hannover an.

Im Interview berichtet sie über die neue Herausforderung, welche Bedeutung Kirche für Menschen hat und wie wichtig für sie ihre Zeit als stellvertretende Superintendentin war.  

Christiane Brendel in der Herzkammer der St.-Annen-Gemeinde – der 555 Jahre alten Kapelle. Foto: Harald Langguth

Warum gehen Sie?
Ich hatte eine halbe Stelle – aber ich war mit ganzem Herzen da. Ich habe mich hier seit 2017 außerordentlich wohl gefühlt als Gemeindepastorin in St. Annen in Wangelist. Ich gehe deshalb, weil ich nochmal etwas Neues wagen möchte. Im Arbeitsbereich Besuchsdienst biete ich Fort- und Weiterbildungen für Haupt- und Ehrenamtliche an, die wiederum die Besuchsdienste in ihren Kirchenkreisen leiten. Außerdem erstellen wir Material und Publikationen für Menschen, die Besuche machen und erarbeiten Konzepte, die für dieses kirchliche Arbeitsfeld zukunftsfähig sind.

Was macht ein Besuchsdienst?
Besuchsdienste bietet eine Gruppe von Menschen in einer Ortsgemeinde an, die andere Menschen zu unterschiedlichen Anlässen besuchen. Das Spektrum reicht von Geburtstagen älterer Menschen und Ehejubiläen bis zu Partnerschaftsbesuchen bei Menschen, die man über einen längeren Zeitraum begleitet. Oft sind das einsame Menschen. Theologisch bedeutet Besuchsdienst, dass sich Gott über Jesus Christus zu uns auf den Weg macht. Dazu ist der Besuchsdienst die Resonanzbewegung. Wir gehen zu den Menschen, um ihnen Kirche und Evangelium nahe zu bringen über die Begegnung auf Augenhöhe und mit Wertschätzung. Der Besuchsdienst wird meist über die Gemeindebriefe angeboten – und dann kann man sich melden.

Warum ist Kirche als Institution wichtig?

Kirche ist deshalb als Institution wichtig, weil sich in diesem Begegnungsraum Menschen treffen können, die nicht unbedingt verwandt oder befreundet sind. Aber sie haben eine gemeinsame spirituelle Mitte mit Christus, in dem uns Gott begegnet.  Diese Mitte ermöglicht bestimmte Werte, um die man gemeinsam ringt und sie teilt. Alle verbindet dieselbe Grundhaltung, dass jeder Mensch Gottes Ebenbild ist. Das prägt auch unsere wertschätzende Haltung zu Menschen. Als Institution bieten wir den Menschen auch verlässliche Begleitung bei elementaren Lebensübergängen an: bei der Taufe, der Konfirmation, der kirchlichen Trauung und beim Sterben.

Welche Funktion hat dabei die Kinder- und Jugendarbeit?

Mir ist die Kinder- und Jugendarbeit unglaublich wichtig. Wir feiern hier Kindergottesdienst mit 20 bis 25 Kindern zwischen fünf und zehn Jahren. Wir brauchen lebensprägende Erfahrungen, wie sie ein Kind machen kann: Was schenkt mit Geborgenheit, was gibt mir Sinn? Wie gehen Menschen mit mir um – und wie gehe ich mit anderen Menschen um? Das alles kann man in und durch Kirche lernen. Deswegen schicken auch Menschen ihre Kinder zu uns in die Kita und in den Konfirmandenunterricht und lassen sie taufen, die selbst  nicht (mehr) Kirchenmitglieder sind. Das habe ich hier immer wieder erlebt.

Was war ihr beglückendstes Erlebnis?

Ein beglückendes Erlebnis war das mit einem 7-jährigen Jungen im Kindergottesdienst. Er war regelmäßig dabei. Irgendwann riefen mich seine Eltern an und berichteten, er wolle jetzt endlich getauft werden. Dann hatten wir mit ihm ein Taufgespräch. Ich habe ihn in einer kleinen liturgischen Feier in der Kapelle getauft – und kurz darauf ist sein Vater wieder in die Kirche eingetreten. Das war für uns alle sehr bewegend und berührend. Unsere St.- Annen-Kapelle ist klein und hübsch – und die Herzkammer dieser Gemeinde. Wir haben 2019 ihren 550. Geburtstag mit einem wunderbaren Fest gefeiert. 

Wie wichtig war Ihre Tätigkeit als stellvertretende Superintendentin?

Das waren zwei sehr intensive Jahre für mich, auch weil größere Baustellen im Kirchenkreis in diese Zeit fielen. Am stärksten haben mich damals die großen Konflikte im Kirchenvorstand und Pfarramt der Münster-Gemeinde gefordert. Gute Erfahrungen in dieser Zeit waren die Amtseinführungen und Verabschiedungen in den Ruhestand von Pastorinnen und Pastoren, die mir viel Freude gemacht haben, ebenso wie die Leitungsarbeit im Kirchenkreisvorstand. Ein spannender Prozess war dann die Vorbereitung und Durchführung der Wahl des neuen Superintendenten. In dieser Zeit der Vakanz-Vertretung in der Superintendentur habe ich noch mal sehr viel gelernt. Durch die enge Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Jens Riesener, er ist ebenfalls stellvertretender Superintendent, war auch diese Phase eine sehr intensive zugleich erfüllende Zeit, für die ich sehr dankbar bin.  

Was bleibt, wenn Sie gehen?

Ich schaue mit großer Dankbarkeit zurück. Ich war ja bereits vorher neun Jahre Pastorin in der Münstergemeinde in Hameln – von 2008 bis 2017. Im Spätsommer 2017 habe ich dann meinen Dienst als Pastorin in der St.-Annen-Gemeinde begonnen: Fast sieben Jahre mit Gottesdiensten und Kindergottesdiensten, mit Taufen, Konfirmationen und Trauungen in unserer wunderschönen Kapelle, die mir sehr ans Herz gewachsen ist. Alle voran gebührt mein Dank dem Kirchenvorstand. Ich habe immer wieder gestaunt über diese kompetenten, zielorientierten, kreativen und fleißigen Frauen und Männer. Vieles werde ich im Schatz meiner Erinnerungen aufbewahren: den Seniorenkreis und unsere schönen Ausflüge. Die Kinder mit ihrer Lebendigkeit und die Konfis, denen manche tiefe Erkenntnis manchmal so locker über die Lippen kommt. Die jungen Erwachsenen, deren Gruppengründung ich begleiten durfte und die vielen kreativen Gespräche vor Ort und am Telefon. Wangelist sammelt sich hier rund um die Kapelle: Kindergarten, Grundschule, Gemeindehaus. Mein großer Dank gilt allen Ehrenamtlichen, die diese Gemeinde ganz stark mittragen. Sie werden Wangelist auch in Zukunft lebendig halten.