Kirchturmspitze Münster St. Bonifatius | Bild: Heike Beckmann
Kirchturmspitze Münster St. Bonifatius | Bild: Heike Beckmann

Berechnung der Urlaubstage bei Veränderung der Wochenarbeitstage

Nachricht 11. April 2018

In einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.03.2017 (9 AZR 7/16) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass bei einer Berechnung der Urlaubstage aufgrund einer Erhöhung der Wochenarbeitstage im Laufe des Kalenderjahres keine abschnittsbezogene Berechnung des Urlaubsanspruchs erfolgen darf. Vielmehr kommt es bei der Berechnung des Urlaubs auf den Zeitpunkt an, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub gewährt. Hat ein Arbeitnehmer in einer 5-Tage-Woche einen Anspruch auf 30 Urlaubstage im Kalenderjahr und arbeitet in einer 4-Tage-Woche, ergibt sich hieraus ein Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ihm zustehenden 24 Urlaubstage bis zum Zeitpunkt der Erhöhung der Wochenarbeitstage schon gewährt (z. B. Erhöhung von 4 Wochenarbeitstagen auf 5 Wochenarbeitstage zum 01.09. des Jahres), ergibt sich hieraus kein Neuberechnungsanspruch der Urlaubstage. Wurden die zustehenden 24 Urlaubstage bis zum Zeitpunkt der Erhöhung der Wochenarbeitstage noch nicht vollständig gewährt, sind die restlichen noch zustehenden Urlaubstage mit dem Quotienten zu multiplizieren, der sich aus der Anzahl der neu vereinbarten Wochenarbeitstage und der Anzahl der vorher vereinbarten Wochenarbeitstage ergibt. Im Beispielfall wären die restlichen Urlaubstage mit dem Faktor 5/4 zu multiplizieren. Dabei entfallen im Rahmen des § 26 Absatz 1 Satz 5 TV-L Bruchteile von weniger als ½ Urlaubstag, während bei einem höheren Bruchteil auf einen Urlaubstag aufgerundet wird.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts steht in scheinbarem Widerspruch zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2015. Dieser hatte entschieden, dass der Anspruch auf Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer in einer Zeit der Vollbeschäftigung erworben hat, bei einer Verringerung der Wochenarbeitstage nicht gemindert werden darf. Vielmehr müsse bei einer Veränderung der Wochenarbeitstage im Laufe des Kalenderjahres eine abschnittsbezogene Berechnung vorgenommen werden. Das Bundesarbeitsgericht setzt hier allerdings mit der Prüfung an, ob der unionsrechtliche Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen erfüllt ist und ob die Wochenarbeitstage erhöht werden. Ist dieses der Fall, erfolgt nach Entscheidung des BAG keine abschnittsbezogene Betrachtung. Bei einer Verringerung der Wochenarbeitstage ist allerdings das Urteil des EUGH bei der Urlaubsberechnung zugrunde zu legen (siehe Artikel der MAV vom 18. Februar 2015).

Siegfried Wulf