Kirchturmspitze Münster St. Bonifatius | Bild: Heike Beckmann
Kirchturmspitze Münster St. Bonifatius | Bild: Heike Beckmann

Auslegung der Reisekostenbestimmungen ...

Nachricht 29. Juni 2015

Auslegung der Reisekostenbestimmungen bei Fahrten zu „weiteren Tätigkeitsstätten“ und Dienstreisen

Im Rahmen der steuerrechtlichen Neuregelungen zur „ersten Tätigkeitsstätte“ und „weiteren Tätigkeitsstätten“ befand sich der Gesamtausschuss in einem länger währenden Klärungsprozess über die Auslegung der Reisekostenbestimmungen für die Erstattung von Reisekosten und über die Anrechnung auf die Arbeitszeit bei Fahrten zu „weiteren Tätigkeitsstätten“. Inzwischen wurde eine Klärung mit dem Landeskirchenamt herbeizuführen. In diesem Rahmen wurde auch die Anwendung der Reisekostenbestimmungen bei Dienstreisen nochmals geklärt.

Das steuerliche Reisekostenrecht wurde zum 1. Januar 2014 reformiert. Für die kirchlichen Beschäftigten von besonderem Interesse ist dabei die Neuregelung der Verpflegungspauschalen und die Ersetzung der „regelmäßigen Arbeitsstätte“ durch den Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, für jeden Beschäftigten, welcher an mehreren Arbeitsorten tätig ist, eine „erste Tätigkeitsstätte“ festzulegen. Immer, wenn der Beschäftigte an einem anderen Arbeitsort („weitere Tätigkeitsstätte“) tätig ist, befindet er sich steuerrechtlich bei einer „Auswärtstätigkeit“ und kann dementsprechend Fahrtkosten und Verpflegungspauschalen steuerrechtlich geltend machen, soweit er sie nicht vom seinem Arbeitgeber erstattet bekommt. In diesem Rahmen hat das Landeskirchenamt nun seine Prüfung abgeschlossen, welche konkreten Konsequenzen sich hieraus für die Fahrtkostenerstattung und die Anrechnung von Arbeitszeit bei der Arbeit an „mehreren Tätigkeitsstätten“ ergeben.

Folgende Neuregelung gilt für die Erstattung von Verpflegungspauschalen in der hannoverschen Landeskirche. Seit dem 01.01.2014 sind bei Dienstreisen mit mehr als 8-stündiger Abwesenheit 12,00 € Verpflegungspauschale steuerlich anrechenbar. Bei ganztägiger Abwesenheit (24 Stunden) steht steuerrechtlich pro ganztägiger Abwesenheit eine Verpflegungspauschale von 24,00 € zu. Für An- und Abreisetage bei mehrtägiger Abwesenheit werden für den Anreisetag und den Abreisetag ohne Überprüfung der Abwesenheitszeiten jeweils 12,00 € Verpflegungspauschale steuerlich angerechnet. Da das landeskirchliche Reisekostenrecht bezüglich der Gewährung von Verpflegungspauschalen direkt auf das Bundesreisekostengesetz Bezug nimmt, dieses wiederum direkt auf das Einkommensteuergesetz Bezug nimmt, werden auch in der hannoverschen Landeskirche seit dem 01.01.2014 automatisch die erhöhten Verpflegungssätze bei entsprechenden Abwesenheitszeiten bei Dienstreisen gezahlt. Bei Tätigkeit an der „zweiten bzw. weiteren Tätigkeitsstätten“ steht aber keine Erstattung von Verpflegungspauschalen durch den kirchlichen Arbeitgeber zu. Bei entsprechend langer Abwesenheit von der „ersten Tätigkeitsstätte“ bzw. dem Wohnort des Beschäftigten können die entsprechenden Verpflegungspauschalen als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden.

Schwieriger zu beurteilen ist die Fragestellung der Anrechnung der Arbeitszeit und der Erstattung von Reisekosten bei der Tätigkeit in mehreren Tätigkeitsstätten. Dabei sind an gesetzlichen und kirchlichen Regelungen das Einkommensteuergesetz, das Bundesreisekostengesetz, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz, das Gemeinsame Wegstreckenentschädigungsgesetz, die Reisekostenbestimmungen und die Rundverfügung G 6/2007 der hannoverschen Landeskirche zu beachten. Auch das Landeskirchenamt hat die Verwaltungen der Kirchenämter inzwischen über die Anwendung der Reisekostenvorschriften informiert.

Bei der Beurteilung ist besonders darauf zu achten, dass das Reisekostenrecht den Mitarbeitenden keine wirtschaftlichen Nachteile, aber auch keine besonderen Vorteile verschaffen soll (Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 18.02.1980/ Abschnitt III Ziffer 7 der Rundverfügung G 6/2007). Auch findet der Punkt 2.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVw) Anwendung, nach dem eine Dienstreise immer als an der Dienststätte (erste Tätigkeitsstätte) als angetreten und beendet gilt, auch, wenn sie vom Wohnort aus angetreten wurde, es sei denn, Dienstreisebeginn und –ende von der Wohnung aus wären wirtschaftlicher oder die Dienstreise wurde außerhalb der Regelarbeitszeit angetreten oder beendet.

Hier zum besseren Verständnis einige Fallbeispiele:

  • Fahrt vom Wohnort zur „ersten Tätigkeitsstätte“ : Dies ist eine Dienststättenfahrt, die weder einen Erstattungsanspruch, noch Arbeitszeitanrechnung nach sich zieht. Hier deckt sich das kirchliche Dienstreiserecht mit der steuerlichen Gesetzgebung, eine Erstattung durch den kirchlichen Arbeitgeber erfolgt nicht. Bei der Einkommensteuererklärung können im Rahmen der Werbungskosten bei Fahrten mit dem PKW 0,30 € je Entfernungskilometer für den Weg zur Arbeit und zurück geltend gemacht werden.
  • Fahrten zwischen der „ersten und weiteren Tätigkeitsstätten“ : Sind einem Beschäftigten mehrere Tätigkeitsstätten zugewiesen worden und er fährt von seiner ersten zu einer anderen Tätigkeitsstätte und wieder zurück, erkennt das Landeskirchenamt dies als Dienstreisen an. Es werden entsprechend der Vorschriften Reisekosten erstattet und die Fahrtzeit wird als Arbeitszeit anerkannt. Auch hier sind die kirchlichen Dienstreiseregelungen und die steuerrechtliche Gesetzgebung deckungsgleich, da bei notwendiger Nutzung eines PKW im Regelfall 0,30 € je gefahrenem Kilometer erstattet werden. Zu beachten ist, dass eventuell, wenn man sich länger als 8 Stunden dienstlich außerhalb seiner „ersten Tätigkeitsstätte“ aufhält, im Rahmen der Einkommensteuererklärung 12,00 € Verpflegungspauschale geltend gemacht werden können, da steuerrechtlich jede Tätigkeit außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte als Auswärtstätigkeit anerkannt wird.
  • Bei Fahrten zur „ersten Tätigkeitsstätte“ über „weitere Tätigkeitsstätten“ erfolgt eine Erstattung der über die Entfernung vom Wohnort zur „ersten Tätigkeitsstätte“ und zurück hinausgehenden Kilometer. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Anerkennung der Arbeitszeit. Diese Regelung entspricht dem Grundsatz, dass durch die Dienstreisebestimmungen kein besonderer Vor- oder Nachteil entstehen soll. Fahre ich also vom Wohnort zu einer „zweiten Tätigkeitsstätte“ und von dort zurück zum Wohnort, erhalte ich eine Erstattung nur für die Entfernung, die über die Entfernung vom Wohnort zur „ersten Tätigkeitsstätte“ und zurück hinausgeht. Entsprechend wird auch die Arbeitszeit anteilig angerechnet. Keine Erstattung erfolgt, wenn die Strecke kürzer ist als die Strecke vom Wohnort zur „ersten Tätigkeitsstätte“ und zurück. Gleiches gilt für die Berechnung einer Fahrt vom Wohnort über mehrere Tätigkeitsstätten, bei der auch die „erste Tätigkeitsstätte“ eingeschlossen sein kann. Da die Tätigkeit in „weiteren Tätigkeitsstätten“ steuerrechtlich als Auswärtstätigkeit definiert ist, können die Differenzbeträge steuerlich geltend gemacht werden.

In diesem Rahmen wurde vom Landeskirchenamt auch der Umgang mit regulären Dienstreisen zu den entsprechenden Dienstreiseorten geklärt.

  • Fahrten zwischen „erster Tätigkeitsstätte“ und Dienstreiseort : Dies sind Dienstreisen unter voller Anerkennung als Arbeitszeit im Rahmen des § 11 Abs. 3 DVO und entsprechender Gewährung von Reisekosten.
  • Fahrten vom Wohnort direkt zum Dienstreiseort:
    • Grundsätzlich gilt die Fahrt als an der „ersten Tätigkeitsstätte“ angetreten mit entsprechender Berechnung der Wegstreckenentschädigung gemäß 2.2.2 BRKGVwV. Die Reisezeit wird anteilig anerkannt. Eine Wegstreckenentschädigung wird für die Entfernung von der „ersten Tätigkeitsstätte“ zum Dienstreiseort und zurück gewährt.
    • Beginnt und/oder endet die Dienstreise außerhalb der Regelarbeitszeit, wird die Wegstreckenentschädigung vom Wohnort aus gewährt, auch, wenn die Strecke länger ist. Die Reisezeit wird voll als Arbeitszeit anerkannt.
    • Ist der Weg ab dem Wohnort kürzer als ab der „ersten Tätigkeitsstätte“, wird die Wegstreckenentschädigung ebenfalls ab dem Wohnort gewährt, da dies wirtschaftlicher ist. Ebenso wird die Reisezeit voll als Arbeitszeit anerkannt.

Zu beachten ist, dass die Erstattung von Dienstreisekosten gemäß Bundesreisekostengesetz innerhalb von 6 Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss, da ansonsten eine Erstattung nicht mehr möglich ist.

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass die steuerrechtlichen Regelungen bei vielen Fallgestaltungen von den Reisekostenregelungen unserer Landeskirche abweichen. Bei Zuweisung mehrerer Tätigkeitsstätten sollten die Fahrten inklusive der Abwesenheitszeiten von der „ersten Tätigkeitsstätte“ sehr genau aufzeichnet werden, um einerseits im Rahmen der kirchlichen Regelungen Fahrtkostenerstattungen zu erhalten und eine Anrechnung als Arbeitszeit sicherzustellen, sowie andererseits die Differenzbeträge zu den steuerrechtlichen Regelungen als Werbungskosten bei der Einkommensteuererklärung geltend machen zu können.

Siegfried Wulf